Geschichte
Die MSG mbH Ammendorf sieht sich in der Tradition und als Nachfolgeunternehmen des Waggonbau Ammendorf. Die Gründung des Waggonbau Ammendorf geht auf das Jahr 1823 zurück.
Die damalige Firma Gottfried Lindner begann mit dem Bau von Pferdekutschen, bevor sie sich ab 1871 mit dem Schienenfahrzeugbau beschäftigte. Bis 1940 wurden Personen-, Salon- und Güterwagen sowie Straßenbahnen und Lastwagenanhänger gebaut.
Nach 1945 wurde das Werk zeitweilig als Sowjetische Aktiengesellschaft geführt und spezialisierte sich auf die Fertigung von Weitstreckenpersonenwagen für die Sowjetunion. Der VEB Waggonbau Ammendorf, wie das Werk seit 1952 hieß, entwickelte sich mit 4.900 Beschäftigten zum größten Betrieb des damaligen DDR-Schienenfahrzeugbaus.
Mit der Inbetriebnahme eines neuen Fertigungskomplexes 1992 wurde der Waggonbau Ammendorf zum modernsten und größten Waggonbauwerk Europas. In den Jahren 1948 bis 1996 wurden insgesamt über 30.000 Weitstreckenpersonenwagen für die sowjetischen Staatsbahnen und deren Nachfolger gebaut und ausgeliefert.
Nach weiterer, umfassender Restrukturierung Mitte der 90er Jahre wurde das Werk zu einer hochproduktiven Fertigungsstätte, die flexibel Fahrzeuge jeglicher Art von Einzelwagen bis hin zu kompletten Triebzügen baute. In dieser Zeit wurden, neben anderen Erzeugnissen, vor allem S-Bahnen für Berlin, Mittelwagen und Kopfwagen für ICE, ICE 3 und ICT sowie Regionaltriebzüge der Baureihen 424 bis 426 und Fahrzeuge für die Metro Helsinki gefertigt. Nach Übernahme des Werkes durch Bombardier erfolgte nach einem mehrjährigen Konzentrationsprozess, sowohl in der Branche als auch innerhalb Bombardiers, die Schließung des Standortes Ammendorf am 31. Dezember 2005.
Am 1. Januar 2006 nahm auf einem Teil des ehemaligen Bombardier-Geländes die Firma MSG mbH Ammendorf mit 42 Mitarbeitern ihren Betrieb auf. Zurzeit sind ca. 210 Mitarbeiter bei der MSG mbH Ammendorf beschäftigt.
Die neue Ausrichtung konzentriert sich primär auf die Instandhaltung, Instandsetzung und den Umbau von elektrischen und Dieseltriebzügen.
1823 - 1832
1823 – 1832
Am 23. August 1823 gründete der Sattlermeister Gottfried Lindner im Stadtzentrum von Halle ein Täschnerwarengeschäft. Es wurden Reitsättel und Zaumzeug für Pferde und Kutschen gefertigt.
Mit dem aufstrebenden Bürgertum und der damit beginnenden Reiselust betuchter Bürger wurde die Reparatur von Kutschen ein lohnendes Geschäft. Bereits 1830 entstanden die ersten eigenen Kutschen.
1883 - 1888
1883 – 1888
Ab 1883 wurden Pferdebahn-Wagenkästen für mehrere deutsche Städte (darunter Karlsruhe, Elbingen, Leipzig, Elberfeld) gefertigt. Ab 1886 wurden diese auch unter eigenem Namen ausgeliefert.
Mit dem Beginn der Elektrifizierung der Straßenbahnbetriebe wurden mit allen großen Elektrobetrieben Verträge geschlossen.
1889 - 1902
1889 – 1902
1889 wurde mit der UEG (Unterfränkische Elektrizitätsgesellschaft) ein Vertrag zur Lieferung von 90 Stadtbahnwagen für das elektrische Netz in Halle (Saale) geschlossen. 45 Wagen lieferte die Firma Herbrand. Für die verbleibenden 45 Wagen lieferte die Firma die Untergestelle; die Wagenkästen wurden in Halle gefertigt und montiert.
Schnell war das Firmengelände in der Innenstadt zu klein und es wurde ein Anwesen in der Gemeinde Ammendorf vor den Toren der Stadt Halle erworben, auf dem die neue Wagen- und Waggonfabrik entstand.
1903 - 1907
1903 – 1907
Ab 1903 begann die Probelieferung von Güterwagen an die Preußische Staatsbahn. Durch die neue Fabrik wurde das Unternehmen in eine OHG (offene Handelsgesellschaft) umgewandelt. Schnell stieg die Mitarbeiterzahl von 90 im Jahr 1899 auf fast 400 im Jahr 1906.
Ab 1905 firmierte die Firma unter dem Namen „Wagen- und Waggonfabrik Gottfried Lindner AG“.
1913 - 1940
1913 – 1940
Nach der beginnenden Erholung der Wirtschaft Anfang der
20er Jahre schlossen sich die Waggonfabriken Dessauer Waggonfabrik, Düsseldorfer Eisenbahnbedarf, Waggonfabrik Fuchs Heidelberg, Gottfried Lindner Ammendorf, Siegener Eisenbahnbedarf, Waggonfabrik Uerdingen, Wagen- und Maschinenbau Görlitz und Wegmann & Co. Cassel zur Eisenbahn-Liefergesellschaft „EISLIEG“ zusammen, um eine gleichmäßigere Auslastung der Mitgliedsfirmen zu erreichen.
Für die EISLIEG war 1920 eine Zuteilung von 27,68% der Reichsbahnaufträge festgelegt, der Ammendorfer Anteil lag bei 2,68%. Gleichzeitig wurden die Kapazitäten in der Forschung und Entwicklung gebündelt. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise waren in Ammendorf 2.267 Arbeiter und 250 Angestellte beschäftigt. In diesen Jahren wurden Personen- und Güterwagen wie z.B. BCi-28, Bi-29, Pwi-30, Di-24, gebaut. Güterwagen der Gattungsbezirke Oppeln, Dresden und Kassel wurden weiter verbessert.
1941 - 1946
1941 – 1946
1941 beauftragte das Reichsbahnzentralamt (RZA) die Firma in Ammendorf, Entwürfe für Güterwagen einzureichen, die auch für den Einsatz auf russischer Breitspur geeignet waren.
Am 21. April 1945 besetzten amerikanische Streitkräfte Ammendorf. Der Krieg war beendet, doch ca. 650 Werksangehörige kehrten nicht zurück.
Mit dem Besatzerwechsel Anfang Juli 1945 wurden ein sowjetischer Generaldirektor und ein neuer deutscher Werksleiter eingesetzt. Da auch in diesem Zeitraum die Eisenbahn in der Sowjetischen Zone wieder in deutsche Hände gelegt wurde, begann ab August 1945 das Werk Güterwagen der Schadgruppen IV und V zu reparieren. Auf der Grundlage des Befehls Nr. 145 der sowjetischen Militäradministration wurde die Gottfried Lindner AG liquidiert und eine neue sowjetische Gesellschaft „Transmasch“ mit Sitz in Leipzig als Eigentümer eingesetzt.
Mit diesem Wechsel begann die Fertigung von Reparationsgütern. Von 1946 bis 1949 wurden ca. 6.000 Schmalspurgüterwagen für 750 mm Spurweite und 1.500 Plattformwagen in Normalspur ausgeliefert.
1947 - 1988
1947 – 1988
Ab 1947 begann die Entwicklung eines 4-achsigen Personenwagens auf Grundlage sowjetischer Forderungen.
Am 1. Mai 1948 wurde der Rohbau feierlich übergeben.
Es handelte sich um einen Wagen mit 9 Abteilen, einem Schaffnerabteil, einer zentralen Warmwasser-Ofenheizung, Druckbelüftung und einer Toilette. Dieser Wagen wurde der Urvater von fast 30.000 Reisezugwagen bis 1999.
Im Mai 1952 wurde das Werk aus sowjetischem in deutsches Eigentum überführt und firmierte ab diesem Zeitpunkt unter VEB Waggonbau Ammendorf. In den 50er Jahren erfolgte auf Druck des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW / Comecon) eine Spezialisierung der Schienenfahrzeughersteller der DDR. Das Werk fertigte seitdem in erster Linie Reisezugwagen für den sowjetischen Markt in drei Grundvarianten- einen klimatisierten (WPW K), einen druckbelüfteten (WPW D) und einen Speisewagen (WSW). Auf Basis dieser 3 Grundtypen wurden auch Fahrzeuge für die Mongolische Staatsbahn und die Staatsbahn der Volksrepublik China gebaut.
Mitte der 60er Jahre begann das Werk aus allen Nähten zu platzen. Das Werk II an der Eisenbahnstraße in Ammendorf entstand. Damit war es möglich, mehr als 600 Wagen pro Jahr zu fertigen.
1989 - 1997
1989 – 1997
Durch die friedliche Wende im Oktober 1989 begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Werkes. Aus dem VEB Waggonbau Ammendorf wurde die Waggonbau Ammendorf GmbH. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten 4.800 Waggonbauer am Standort. Alle 8 Stunden verließ ein Weitstreckenpersonenwagen die Montagetaktstraße.
Durch das beginnende Wegbrechen des Ostmarktes und des Devisenmangels Russlands geriet die Fertigung der Weitstreckenpersonenwagen ins Stocken. Durch zähes Ringen der Waggonbauer kam es 1991 zu einer Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation zum Kauf von WPW auf der Basis einer Hermes-Bürgschaft. Mit der Lieferung von 800 Wagen von 1993 bis 1996 für Russland und der gleichzeitigen Bestellung von 218 Wagen für die Republik Kasachstan, 100 Wagen für die Volksrepublik China und weiterer 32 Wagen für die Mongolei wurde die Basis geschaffen, mit neuen Produkten auf den Markt zu kommen.
Trotz dieser Aufträge stand mit der Privatisierung der DWA (Deutsche Waggonbau AG) im Sommer 1995 eine Restrukturierung an, die einen Personalabbau und die Schließung des Werkes I in Ammendorf zur Folge hatte. Ab 1996 wurden Mittelwagen und Triebköpfe für ICE 2, ICE 3, ICT und ICT VT ausgebaut.
Mit der Entwicklung eines Technologieträgers RE 2000 für einen Triebzug im Regionalverkehr bis 160 km/h wurde der Versuch unternommen, mit neuen Produkten ein Marktsegment zu besetzen.
1998 - 2005
1998 – 2005
Mit dem 2. Februar 1998 erfolgte die Übernahme der DWA durch den kanadischen Schienenfahrzeughersteller Bombardier Transportation. 1999 wurde für die Metro Helsinki ein 12 Züge umfassender Auftrag gefertigt.
Bombardier beteiligte sich an der Ausschreibung für die Lieferung der BR 424 zur Sicherstellung der EXPO 2000 in Hannover und der Lieferung der BR 425 und 426. Mit dem Kauf der ADtranz vom Daimler-Chrysler-Konzern verschärften sich im Jahr 2000 die Spannungen zwischen den Bombardier-Standorten Hennigsdorf und Ammendorf.
Die ADtranz war aus der AEG Schienenfahrzeuge und den deutschen ABB Werken hervorgegangen. Bedingt durch die Doppelfertigung vom ET 424 und 425 und BR 481 wurde innerhalb Bombardier entschieden, die Fertigung aus Wirtschaftlichkeitsgründen am Standort Hennigsdorf fortzusetzen und die Fertigung in Ammendorf einzustellen.
2006-2016
2006-2016
Nachdem die wirtschaftliche Situation von Bombardier Transportation 2005 zur Schließung des Standortes in Ammendorf führte, wurde Anfang des Folgejahres 2006 als Nachfolgeunternehmen die „Maschinenbau und Service GmbH Ammendorf“ gegründet, welche ab sofort die Tradition des Waggonbaus in Ammendorf fortführte.
Bereits nach 5-jähriger Geschäftstätigkeit wurde die MSG mbH Ammendorf im September 2010 mit dem DB-Lieferantenprädikat für Serviceleistungen ausgezeichnet.
Im Laufe der folgenden Jahre konnte die MSG mbH Ammendorf durch ihre Expertise einen hervorragenden Ruf bei ihren Kunden in der Schienenfahrzeugbranche aufbauen. Das Tätigkeitsfeld konzentrierte sich im Wesentlichen auf Entwicklungsleistung für Schienenfahrzeuge, die Fertigung von Sondermaschinen, Schweiß- und Montagevorrichtungen und Komponenten für Schienenfahrzeuge sowie Serviceleistungen an ICE, ICT, Reisezugwagen und Regionalzügen.
2017-2020
2017-2020
Es begann die Entwicklung und Serienfertigung von 2- und 4-achsigen schienengebundenen Arbeitswagen zur Instandhaltung des Streckennetzes der Münchner U-Bahn.
Serviceleistungen für die planmäßige Instandhaltung für Züge des Regionalverkehrs (BR424-426, BR425.2 ff) und des Fernverkehrs (ICE und ICT) sowie beim Umbau von Zügen (Redesign) haben sich in dieser Zeit zu einem Kerngeschäft bei der MSG mbH Ammendorf entwickelt. Parallel hat sich in dieser Phase die Firma auf dem Gebiet der Reparatur und Wiederinbetriebnahme von Brand- und Unfallzügen zu einem Marktführer etabliert.
2021 - heute
2021 – heute
Gegenwärtig hat sich die MSG mbH Ammendorf zu einem wichtigen und sehr verlässlichen Partner der DB entwickelt. Das Unternehmen verfügt über ausgezeichnetes Fachwissen und hat sich auf die Instandhaltung, Unfallreparatur und das Redesign von elektrischen und Dieseltriebzügen spezialisiert.
Die MSG mbH Ammendorf wartet die ICE-T-Flotte und modernisiert Fahrzeuge der S-Bahn Berlin. Im Auftrag der DB wurde zudem zur Erprobung neuer Technologien ein Diesel-ICE zum rollenden Labor und Versuchsträger „Advanced TrainLab“ umgebaut.
Gleichzeitig sorgt die MSG mbH Ammendorf durch die Reparatur von Unfallschäden an den verschiedensten DB-Baureihen für eine schnelle Wiederverfügbarkeit verunfallter Fahrzeuge.
Im Juni 2021 wurde die MSG mbH Ammendorf mit dem DB-Lieferantenprädikat für verlässliche Instandhaltung von Schienenfahrzeugen ausgezeichnet.
Das Kerngeschäft besteht in der Instandhaltung, der Instandsetzung und dem Umbau von Triebzügen.
Heute ist die Maschinenbau und Service GmbH Ammendorf mit rund 210 Mitarbeitern das älteste Schienenfahrzeugunternehmen Deutschlands.